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Interview

Alarmierende Studie — Klimaerwärmung durch Windräder?

Berlin / Lesedauer: 6 min

Laut Studie erhöhen Windräder die Umgebungstemperatur. Sorgen sie damit für eine Klimaerwärmung? Der Experimentalphysiker Gerd Ganteför sieht andere Gefahren — vor allem für MV.
Veröffentlicht:18.05.2023, 18:32

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Herr Ganteför, derzeit sorgt eine veröffentlichte Studie für Aufregung, die auch auf der Internetseite der Nasa zu finden ist. Es geht um eine Studie, die in einem großen Windpark in Texas durchgeführt wurde, untersucht wurde der Einfluss von Windkraftanlagen auf die Umgebungstemperatur. Vereinfacht ausgedrückt soll die Studie belegen, dass Windräder die Umgebungstemperatur erhöhen. Windkraft–Kritiker sagen nun verkürzt: Windräder sorgen für Klimaerwärmung. Was ist da dran?

Mit Verlaub, aber diese Schlussfolgerung ist ein geistiger Kurzschluss. Das steht so nicht in der Studie. Was darin steht: Die Forscher haben die Bodentemperaturen in großen Windparks in Texas gemessen und eine Erwärmung festgestellt, vor allem in der Nacht.

Die Forscher erklären das so: In der Nacht entsteht eine besondere Luftschichtung, bei der die Luft unmittelbar über dem Boden relativ kühl ist, darüber ist sie wärmer. Diese kalte Luft sorgt dafür, dass auch der Boden auskühlt. Nun wirbeln Windräder diese Luftschichten aber durcheinander, also kalte Luft nach oben und warme Luft nach unten. Dadurch steigt die Lufttemperatur über dem Boden, der dann natürlich weniger auskühlt und wärmer bleibt. Aber ich würde deswegen jetzt nicht in eine riesengroße Aufregung geraten. Zumal meiner Meinung nach etwas anderes in diesem Zusammenhang wichtiger ist.

Und das wäre?

Die Sache mit der Verdunstung, und um die ging es in der von Ihnen angesprochenen Studie nicht. Es gibt aber andere Papers (seriös geprüfte und veröffentlichte Studien, Anm. d. Red.), die besagen, dass es im Bereich der Windräder möglicherweise weniger Niederschlag gibt.

Große Windräder bremsen den Wind logischerweise ab. Weniger Wind bedeutet weniger Verdunstung und damit weniger Niederschlag. Und wenn es trockener wird, könnte es eben auch passieren, dass es wärmer wird.

In welchen Gebieten sehen Sie diese Gefahr?

Vor allen Dingen würde ich mir Gedanken über den Niederschlag in Mecklenburg–Vorpommern machen, wo es ja große Windparks gibt. Die bremsen eine relativ wichtige, feuchte Luftströmung, die aus dem Nordatlantik über das Meer nach Deutschland kommt, natürlich ab. Und wenn man es übertreibt mit zu vielen Windrädern, würde ich denken, es könnte irgendwas passieren. Luftfeuchtigkeit und Bodenfeuchtigkeit sind wichtig für die Landwirtschaft.

Was konkret könnte denn passieren?

Ich sehe die Gefahr, dass Mecklenburg–Vorpommern trockener wird. Und würde erwarten, dass dieses mögliche Szenario von Klimatologen akribisch durchgespielt und untersucht wird. Denn das ist das große Problem: Wir wissen derzeit nicht, was alles passieren kann, wenn wir weiterhin unzählige Windräder aufstellen.

Ich habe erstaunlich wenig Papers zu diesem Thema gefunden. Und zugleich wird die Windkraft weiter stark ausgebaut. Eigentlich brauchen wird hier Klimamodellrechnungen für das lokale Umfeld, also für Norddeutschland zum Beispiel, die eingebettet werden in die großen Klimamodelle.

Ein einzelnes Windrad macht nichts, und 100 oder 1000 Windräder auch nicht. Aber bei 10.000 Windrädern sollte man vielleicht mal überlegen, ob es vielleicht doch zu lokalen Klimaveränderungen kommen könnte.

Wollen Sie damit sagen, dass Klimaforschung in Deutschland nicht ausreichend betrieben wird?

Wir haben riesige Klimamodell–Rechnungen für den ganzen Planeten. Aber mit Fokus darauf, wie sich das Klima abhängig von der CO2–Konzentration verändert. Da werden gigantische Geldsummen und riesige Manpower reingesteckt. Aber wenn man dann Modellrechnungen zur Auswirkung des Ausbaus von Windkraft in Norddeutschland sucht, dann findet nur sehr, sehr wenig.

Das ist erstaunlich, weil es sonst immer um Klima und Wetter geht. Es gibt keine auch nur annähernd vergleichbaren Modellrechnungen zu dem Riesenaufwand, der für die Klimaerwärmung insgesamt getrieben wird.

Natürlich gibt es Studien zu genau dieser Thematik…

Moment, man muss unterscheiden zwischen Studien und Publikationen. Natürlich habe auch ich Studien dazu gefunden, aber es gibt jede Menge Studien von irgendwelchen Organisationen. Aber ich beziehe mich auf Publikationen in referierten Fachzeitschriften.

Die werden vorher von Experten von anderen Universitäten oder Forschungszentren gelesen und geprüft. Und dann wird das entweder gekippt, weil es nicht glaubwürdig ist oder auch tendenziös. Oder aber die Arbeiten werden als seriös befunden und erst dann publiziert. Von daher sollte man sich nur auf Publikationen in referierten Fachzeitschriften verlassen. Mit Studien einzelner Organisationen muss man vorsichtig sein.

Sie halten den wissenschaftlichen Diskurs zum Klimawandel in Deutschland für nicht wissenschaftlich genug?

Der globale Blick und auch der interdisziplinäre Blick, der nötig wäre, um dieses gravierende Problem anzugehen, der fehlt, weil viele Menschen Scheuklappen haben, vor allen Dingen in Deutschland. Ich würde mir wünschen, dass man nicht gleich in riesige Aufregung gerät, wenn man eine einfache Frage stellt, etwa zur Windkraft.

Wenn man fragt, ist die Erde vielleicht rund, geraten die Anhänger der flachen Erde in religiöse Aufregung. Und so ist das mit dem Windrad und möglichen Nebenwirkungen leider auch.

Um es mal so auszudrücken: Man ist nicht automatisch AfD–Anhänger, nur weil man kritische Fragen stellt. Teilweise habe ich das Gefühl, das ist so ein religiöser Eifer, der mit dem ich es zu tun habe. Und das hat dann nichts mehr mit Wissenschaft zu tun.

Auch Sie wurden teils heftig kritisiert, weil Sie sich öffentlich kritisch zu Windkraftanlagen geäußert hatten. Sie hatten anhand von Modellrechnungen die Vermutung geäußert, dass Windkraftanlagen aus physikalischen Gründen nicht ausreichend Strom für die Energiewende liefern könnten.

Ja, und ich war tatsächlich ein bisschen überrascht, so heftig kritisiert zu werden, bloß weil ich gesagt habe, wir müssen mal ein bisschen aufpassen mit dem Ausbau des Windes. Das kannte ich aus den über 30 Jahren meines normalen Berufslebens so nicht.

Die Beschimpfungen wurden so heftig, dass mir mein Umfeld dazu riet, mich aus der öffentlichen Diskussion zurückzuziehen. Aber wenn man sich zurückzieht und nicht mehr redet, dann ist ja genau das passiert, was diese Leute wollen. Dass jede Kritik und jede andere Wahrnehmung von vermeintlichen Tatsachen im Ansatz erstickt wird. Das ist gefährlich, sehr gefährlich. Und deswegen mache ich weiter. Wir brauchen mehr kritische Wissenschaft und weniger blinde Ideologie. 


Zur Person

Gerd Ganteför ist Professor für Experimentalphysik, Buchautor und Unternehmer. Er lehrte viele Jahre als Universitätsprofessor an der Universität Konstanz. An der Johns Hopkins University in Baltimore (JHU) war er als Honorarprofessor am Aufbau zweier Labors im Department of Chemistry beteiligt. Er publizierte rund 150 Artikel in referierten Fachjournalen wie Science und PNAS.

Beim Thema Energie und Klima steht Gerd Ganteför hinter den Analysen der Arbeitsgruppe 1 des Weltklimarats: Es wird wärmer. Hauptursache dafür sind menschengemachte CO2–Emissionen aus der Verbrennung von Kohle, Gas und Öl.

Laut Ganteför reichen Sonne und Wind allein nicht aus, um ein dicht bevölkertes Industrieland wie Deutschland zu versorgen. Auf seiner Internetseite Grenzen–des–Wissens analysiert er diese und andere Themen aus einer, wie er sagt, „ideologieneutralen, globalen und interdisziplinären Sicht“.